Der Römer-Brief Verfasser und EntstehungDer Römerbrief, geschrieben während eines dreimonatigen Winteraufenthalts in Korinth (um 55 n. Chr. Apg 20,3) eröffnet im zweiten Testament die Sammlung der paulinischen Briefe. Sowohl von seiner Länge als auch von seinem geistlichen und theologischen Gewicht her ist er der bedeutendste Lehrbrief des Apostels. Um auch andere Völker mit dem Evangelium bekannt zumachen hatte Paulus die Absicht, eine Missionsreise nach Spanien zu unternehmen (Röm 15,25). Die Welthauptstadt Rom schien ihm bei der Durchführung dieses Vorhabens eine willkommene Ausgangsbasis. Er wünscht einige römische Christen als Reisebegleiter und Mitarbeiter (Röm. 15,24), rechnet aber natürlich auch mit der geistlichen und materiellen Unterstützung der Gemeinde. Dennoch ist damit wohl nicht hinreichend erklärt, warum Paulus für diesen Anlass einen solch umfangreichen Brief geschrieben hat. Immer wieder hat man gefragt, ob es nicht noch andere Gründe gebe, die den Apostel bewogen, so umfassend zu schreiben. Eine mögliche Begründung könnte in der geistlichen Situation der Gemeinde in Rom zu finden sein. Sie bestand aus Menschen, die aus unterschiedlichster nationaler Herkunft zum Glauben an Jesus Christus gefunden hatten: Juden aus Palästina und der Diaspora, Proselyten, Orientalen, Griechen, Römer und Angehörige westlicher Fremdvölker. Die meisten dieser Christen hatten noch nie jene anhaltende und sorgfältige Unterweisung im Glauben erhalten, die der Apostel den Gemeinden zur Zeit ihrer Gründung gab (vgl. Apg. 19,10; 20,27). Es ist schwer vorstellbar, dass der strategische denkende Völkermissionar nicht das Bedürfnis empfunden haben sollte, diesem Mangel durch nachträgliche gründliche Unterweisung abzuhelfen. Die geistliche Festigung der Gemeinde in der Kaiser- und Reichshauptstadt Rom hatte Bedeutung für das gesamte Christentum. Diese Sicht kann sich auch auf konkrete Aussagen im Brief selbst stützen: Paulus wollte den Glauben der römischen Gemeinde stärken (Rö. 1,11; 16,25). Thema und InhaltDer Römerbrief ist im zweiten Testament die ausführlichste Darstellung der freien Gnade Gottes, die in Jesus Christus jedem Menschen angeboten ist. Paulus verfolgt hier eine Argumentationslinie, die sich an den Kernproblemen orientiert, die im Dialog mit judaisierenden Strömungen innerhalb der Christenheit immer wieder auftraten. In den ersten acht Kapiteln zeigt er die Erlösungsbedürftigkeit aller Menschen, Juden wie Nichtjuden, auf und betont mit Nachdrück die Notwendigkeit, dass der Mensch aus der Macht der Sünde befreit werden muss. Dies geschieht aber nicht durch die Einhaltung des mosaischen Gesetzes oder das Tun guter Werke. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, kann auf solche Weise nicht erworben werden. Gott sandte daher seinen Sohn Jesus Christus, der für die Schuld aller Menschen am Kreuz sterben musste, damit das eigentlich uns betreffende Gericht von uns abgewandt und von Jesus Christus getragen wird. Dieser uns >>umsonst<<, d. h. ohne Verdienst zugeeigneten Gerechtigkeit ist nichts mehr hinzuzufügen, sie ist ein gnädige Herablassung Gottes, die nur im Glauben ergriffen werden kann und gilt für Juden wie für Nichtjunden. Es ist verständlich, dass es im Bereich der jüdischen Christenheit zu Fragen kam, welche Bedeutung denn nun das Gesetz Gottes und die Erwählung des Volkes Israel im ersten Bund noch hat. Sorgfältig legt Paulus dar, welchen heilsgeschichtlichen Ort das Gesetz einnimmt und in ebenso differenzierter wie leidenschaftlicher Weise geht Paulus in den Kapiteln 9-11 auf die Erwählung Israels ein. Die letzten Kapitel betreffen dann die Ethik, d. h. die praktischen Fragen zum Verhalten des Christen etwa in der Gemeinde und gegenüber der staatlichen Obrigkeit. Ausführliche Erklärungen über die Reisepläne des Apostels und eine lange Grußliste beenden den Brief.