Der Kolosserbrief Gefangenschaftsbrief Verfasser Die junge Christengemeinde in der kleinasiatischen Stadt Kolossä wurde nicht von dem Apostel Paulus selbst, sondern von seinem Mitarbeiter Epaphras gegründet (Kol. 1,7; 2,2). Von ihm mag Paulus auch Nachrichten empfangen haben über eine innere Not und Gefährdung, die neuerdings die Gemeinde bedrohte. Einer fremden Lehrströmung war es gelungen, Eingang in die Herzen und in das Denken der jungen, noch wenig gefestigten Christen zu finden. Aus den hinweisen, die uns der Kolosserbrief selbst gibt, lässt sich jene Lehre, die dort vorgetragen wurde wenigstens in den Grundzügen rekonstruieren. Man leugnete Jesus Christus nicht, aber man stufte seine Herrlichkeit herunter. Man sah in ihm allenfalls einen kleinen Strahl aus der großen Lichtfülle Gottes. >> Fülle << war offenbar ein wichtiger Schlüsselbegriff jener ungesunden Frömmigkeitsrichtung. Man erweckte nicht nur eine Sehnsucht nach >> Fülle <<, sondern zeigte auch einen Weg, sie zu erreichen. Dieser Weg führt über das Schauen höherer Welten in Visionen und Gesichtern (Kol. 2,18), über asketisches Fasten und Anbetung der Engel (Kol. 2,21), über das Verständnis der mit >> Sabbaten, Festtagen und Neumonden << verbundenen kosmischen Geheimnisse (Kol. 2,16). In dieser Lehre, in der Paulus einen eigenwilligen Gottesdienst (Kol. 2,23) sieht, kann man Frühansätze jener mächtigen Lehrströmung erkennen, die uns im 2. Jahrhundert unter dem Namen >> Gnosis << entgegen tritt. Sie wurde zu einer starken Anfechtung für das frühe Christentum. EntstehungszeitDer Apostel befand sich in Gefangenschaft als er die Nachrichten aus Kolossä erhielt. An welchen Ort Paulus im Gefängnis saß, ist nicht endgültig zu klären. Von der Beantwortung dieser Frage hängt auch die Datierung der Abfassungszeit ab. Handelt es sich um die Gefangenschaft in Caesarea, wäre der Brief um 55-57 n. Chr. zu datieren. Handelt es sich um die römische Gefangenschaftszeit, woraus Paulus viele Briefe geschrieben hat, käme der Zeitraum um 60 n. Chr. in Frage. Thema und InhaltAufgrund der bedrohlichen Nachrichten aus Kolossä schreibt er der Gemeinde einen seelsorgerlichen Brief. Ihm ist klar: Die faszinierende Gewalt jedes falschen Evangeliums lässt sich nicht zurückdrängen, außer durch eine innere Überwindung mittels einer tiefen Christuserkenntnis. Deshalb stellt er vor die Augen der Leser einen gewaltigen Entwurf des Bildes Christi. Jesus Christus und Jesus Christus allein, ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (Kol. 1,15). In ihm sind alle Dinge geschaffen worden, die sichtbaren und unsichtbaren (Kol 1,16). In ihm wohnt auch die ganze göttliche Fülle (Kol. 1,19). Das Ziel des Kolosserbriefes ist also die Abwehr der sektiererischen Lehrströmung durch Vertiefung der Christuserkenntnis. Im zweiten Teil des Briefes (ab Kol. 3,1ff) wird gezeigt, wie sich diese Erkenntnis auf das praktische Leben der Christen auswirken soll. Anhand konkreter Einzelheiten mahnt Paulus zu einem des Evangeliums würdigen Lebenswandel.